Was soll ich bloß anziehen?!



Ausruhtag in Valence, Bummel durch die Altstadt. Zwischen den bunten Sonnenschirmen der unzähligen Cafés und Brasserien schlendert man vorbei an hippen Second- Hand Boutiquen, witzigen Lädchen junger französischer Designer, schicken Taschengeschäften und originellen Schuhläden. Vieles ist schon jetzt herabgesetzt. 
Der entscheidene Begriff ist: vorbeigehen! Bloß nicht rein, bloß nichts anprobieren, auch nicht nur eben mal so, nur um zu schauen, wie's aussieht. Einfach zügig weitergehen und darauf hoffen, dass sich der nächste schnuckelige Laden als Sanitätshaus entpuppt.
Denn eins ist klar - in den Wanderrucksack passt nicht
mal mehr ein zusätzliches Spaghettiträgerhemdchen. Schuhe sind sowieso tabu, und daß ich manchmal heimlich hoffte, daß meine Ausgehturnschuhe doch langsam mal kaputtgehen könnten, wäre eine gemeine Unterstellung!
20% des Eigenwichts sollte der Rucksack höchstens wiegen, haben wir irgendwo gelesen. Das kommt wohl so ungefähr hin. Man könnte natürlich noch mehr essen und versuchen, zuzunehmen, dann ginge mehr Gewicht, aber dann macht das Klamottenkaufen keinen Spass mehr...
Und so glücklich wir über die sommerlichen Temperaturen sind, sie bringen den Nachteil mit sich, daß man noch viel mehr Wasser braucht - das fällt ins Gewicht.
Also, no shopping.
Aber macht es mir eigentlich was aus? Vor der Reise graute es mir vor der Vorstellung, jeden Tag in den gleichen Wanderklamotten herumlaufen, und mich jeden Abend zwischen 2 Varianten der Abendgarderobe entscheiden zu müssen. Und das eventuell 8 Monate lang!
Was ich nicht bedacht habe: 
Erstens: man sieht sich ja selbst nicht, in den Hotels, in denen wir übernachten, gibt es keine Ganzkörperspiegel, und auf den Campingplätzen kann man froh sein, wenn es überhaupt einen fürs Gesicht gibt. Das "Was soll ich bloß anziehen?!" vor dem eigenen Spiegel gehört der Vergangenheit an.
Zweitens: man trifft jeden Tag andere Leute. Die im Wald laufen alle in der gleichen Funktionsuniform rum, die auf dem Campingplatz alle im gleichen Freizeitlook, und die man abends trifft sieht man nie wieder. Abschätzige oder mitleidige Blicke ob der dürftigen Garderobe bleiben einem also erspart.
Drittens: den lieben Ehegatten scheints nicht zu stören, außerdem gehts ihm klamottentechnisch ja keinen Deut besser. Im Gegenteil, gerade hat er auch noch seinen schönen grauen Pullover entsorgt (war angeblich voller Mottenlöcher) und trägt jetzt abends nur noch Fleece. Aber Männer sind ja bekanntlich beim Thema Kleiderwahl eh' nicht so fürchterlich anspruchsvoll. Und frische Socken sind ja auch was Schönes!
Ich hingegen habe noch vor Anfang der Tour eine Firma ergoogelt, die Schuhe mit an- bzw. abschraubbaren Absätzen herstellt. So daß man z.B. aus unscheinbaren, absatzlosen Sandalenlatschen sexy Stilettos machen kann, oder aus flachen Ballerinas elegante Pumps.
Aber wo soll man das eigentlich tragen, soll ich etwa in High Heels über den Campingplatz staken? Und der französche Hersteller lässt sich das Geschäft mit der Eitelkeit gut bezahlen und verlangt die Kleinigkeit von 400€ plus Versand für die wandelbaren Wunderdinger. Zum Glück habe ich mich rechtzeitig von diesem Projekt verabschiedet.
Die gute Nachricht ist also: der modische Minimalismus macht mir überhaupt nichts aus! Im Gegenteil, ich nehme mir schon vor, auch künftig meine Garderobe auf ein Minimum zu beschränken. Nur das Allernötigste kaufen, wieviel einfacher wird das Leben werden! 
Die schlechte Nachricht ist, dass ich das wahrscheinlich nicht durchhalten werde.

Wanderschuhe, Ausgehschuhe, Freizeitschuhe.
Wanderschuhe, Ausgehschuhe, Freizeitschuhe.

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Kommentare: 4
  • #1

    Monika (Dienstag, 26 Juni 2018 09:32)

    "Hat man mit dem Schuhwerk nicht seine Not!
    Wär ich nicht noch Poet dazu,
    ich machte länger keine Schuh!
    Das ist eine Müh, ein Aufgebot!
    Zu weit dem Einen, dem Andern zu eng;
    von allen Seiten Lauf und Gedräng:
    da klappt's,
    da schlappt's;
    hier drückt's,
    da zwickt's; -
    der Schuster soll auch Alles wissen,
    flicken, was nur immer zerrissen:
    und ist er gar Poet dazu,
    da läßt man am End ihm auch da keine Ruh."

  • #2

    Manfred (Dienstag, 26 Juni 2018 15:22)

    Je weiter wäch die Reise,
    sind scheint´s auch verdorben
    die Preise,
    jetzt bin ich lieber leise,
    lese weiter versonnen
    bis weise
    eure liebenswerten Anekdoten
    von der Reise

  • #3

    Joachim (Dienstag, 26 Juni 2018 22:05)

    Liebe Anja sei gewiss: Es kommen auch wieder andere Tage. Mit leerem Rucksack, vollen Schuhgeschäften und auch einem Ganzkörperspiegel. Und dann!!! Übrigens, Rückgriff auf Euren vorletzten Blog: In diesen Zeiten, in denen so viele Menschen jede Lebenssituation in Echzeit verbreiten ist es sehr erholsam, wenn uns Euer Bericht mit etwas Verspätung, aber dann auch gut überlegt erreicht.

  • #4

    Anja (Dienstag, 03 Juli 2018 15:50)

    Wir geniessen wirklich jede Minute! Danke fürs "Dabeisein"!