Host in France - Spargelschälen und Sößchen anrühren


Frankreich! In unseren Erinnerungen an frühere Aufenthalte sind das die verwinkelten Gässchen
der Provence, pappelgesäumte Alleen in Südfrankreich, ein eleganter Boulevard in Paris oder die verwunschenen Flusslandschaften der Dordogne. Die Skigebiete waren uns als Nicht-Skifahrer weniger vertraut.
Und jetzt, da die Schneesaison vorbei ist, breiten sich überall die plattgewalzten Hänge wie zum Trockenen ausgelegte Putzlappen über die Hügel, und die Masten der erstarrten Skilifte ragen wie traurige Skelette in den grauen Himmel.
Im Tal stehen bedrohlich aussehende Pistenwalzfahrzeuge und Schneegebläse in Reih und Glied, als warteten sie auf ihren nächsten Einsatz.
Alles kein richtig schöner Anblick, aber so sehen sie eben aus, diese Städtchen in den Bergen, die hauptsächlich für die Wintertouristen geschaffen sind. So wie Les Rousses, im Haut-Jura, wo wir uns für vier Tage eine Wohnung in einem Chalet gemietet haben, im fünf Kilometer entfernten Nachbar-Örtchen Prémanon, der etwas ruhiger und beschaulicher wirkt. Der Vorteil des Touristenrummels: Es gibt "Hipermarchés", die keinen Wunsch offen lassen. Und die brauchen wir, denn wir erwarten Besuch! Unsere bleischweren Rucksäcke mit den Einkäufen, die wir die Strecke nach Prémanon schleppen, spüren wir überhaupt nicht, in unserer Vorfreude, nach zwei Monaten mal wieder zu kochen: Spargel schälen, Sößchen rühren, und dazu Wein entkorken. Edda und Peter aus Heidelberg machen einen Zwischenstopp bei uns, auf der Durchreise an den Comer See. Ein schöner Abend - und keiner musste hungrig oder durstig schlafen gehen...

Nach dem Frühstück fahren die beiden und wir vergammeln den Tag mit Waschen, Lesen usw. Am nächsten Tag wandern wir wieder in den Supermarkt, um die Voräte für den nächsten Besuch aufzufüllen, Gabriele und Dieter aus Stuttgart bleiben für zwei Tage, die mit Kochen, Erzählen und Wandern gefüllt sind, bei uns. Bevor sie zurückreisen, fahren sie uns noch auf die Höhen des nun französischen Jura. Auf diesem Gebirgszug wollen wir unsere Wandeung Richtung Grenoble fortsetzen.

Doch irgendwie hat uns die lange Pause aus dem Helden-Konzept gebracht. Wir hatten versäumt, uns die neue Strecke auf das GPS-Gerät herunterzuladen und wollten einfach, so wie man das eben früher tat, der Wegmarkierung folgen. Aber
wir scheitern gewaltig, wir verlaufen uns gehörig, und das in Wäldern, in denen immer noch gewaltige Schneefelder in der Sonne glitzern.
Bald glitzert nichts mehr, der Himmel verdüstert sich, in Regen und Kälte laufen wir herum und sind schließlich heilfroh, wenigstens den Weg zurück nach Les Rousses gefunden zu haben. Dort erbarmt sich die Dame im Tourismusbüro, wir können mit ihrem Computer die Tracks herunterladen, die wir brauchen.
Während wir das tun, kommt uns eine ganz andere Idee. So ähnlich wie Wochen vorher am Feldberg, wollen wir dem Schnee wieder nach Westen ausweichen .
Es ist ja nicht nur der Schnee, auf den wir keine Lust mehr haben, weil man zwei Schritte vorwärts läuft und dann einen Schritt wieder zurück rutscht. In den Höhen sind die Übernachtungsmöglichkeiten auch noch geschlossen. Mai ist dort eine Zwischensaison - weder Winter noch Sommer, und die Hütten haben sind hier noch nicht in Betrieb. Man müsste also am Abend erstmal ins Tal absteigen, etwas zum Schlafen suchen und am nächsten Morgen wieder aufsteigen. Auch wenn der Weg selten höher als 1600 Meter führt, sind das ein bisschen sisyphusartige Aussichten.
Nach Westen jedoch laufen wir dem Frühling in die Arme. Die Landschaft wird unaufgeregter. Die Berge ragen nicht mehr so dramatisch in die Höhe, die Gegend ist von mittelhohen Hügeln, Talschluchten und vielen Flüssen durchzogen. Eher was für Wanderer und Radfahrer. Und die Mooswälder dort, wo es feucht genug ist: Man taucht ein in einen Märchenwald, jeder Baum, jeder Stein, jeder abgebrochene Ast ist von einer dichten Moosschicht überzogen, der Wald wirkt erstarrt und wie verzaubert.

Das ist schon eher la France profonde, das provinzielle Frankreich, mit dem Café de la Paix in der Ortsmitte neben der Kirche und der Bäckerei. Aber auch mit verdächtig vielen a-vendre-Schildern an den Häusern, mit menschenleeren Straßen, mit offenbar seit längerem geschlossenen Geschäften. Die Realität ist offenbar nicht so idyllisch wie der erste Anblick nahelegt; beim Kaffee fragen wir uns, wie gut hier wohl Marine Le Pen abgeschnitten haben mag.





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Kommentare: 3
  • #1

    Ingeborg & Dieter (Freitag, 25 Mai 2018 14:52)

    Liebe Anja und lieber Wolfgang!
    Wir leiden und geniessen mit Euch. Es ist ein Vergnügen Eure Etappenberichte zu lesen. Ihr solltet es wie "Ich bin mal eben weg" zu Papier und zur Veröffentlichung bringen. Ein Vergnügen für Lese-Läufer die so 'blasenfrei" vom Sofa aus die Reise miterleben können.
    Inzwischen werdet Ihr die Schneeregionen verlassen haben und Ihr geniesst wie wir das grosse Hoch über Mitteleuropa.
    Wir geniessen zur Zeit den Frühsommer am Lago Maggiore. Sind zwar mit dem Auto heute erst angereist , haben (nach unserem Schrittzähler) aber auch schon 7'600 'Steps' gemacht.Mit Bummel durch dass hübsche Örtchen Cannobio und anschliessend Apero auf der Seepromenade, kommen wir locker auf 10'000 Steps und das reicht in unserem Alter, um uns anschliessend mit Ossobucco zu belohnen.
    Ja das Leben ist lebenswert und Ihr wie wir wissen, wie es genossen werden kann.
    Mit lieben Grüssen Eure Ingeborg und Dieter aus Chur

  • #2

    Anja (Freitag, 25 Mai 2018 19:51)

    Ihr Lieben, wie schön, euren Kommentar zu lesen! Ja, Cannobio, da erzählte auch Carolin immer davon....ich hoffe, ihr hattet eine tolle Zeit mit ihr in NYC und ihr konntet es gemeinsam geniessen, trotz vieler Arbeit. Seid feste gedrückt, inzwischen aus Grenoble�

  • #3

    Monika (Dienstag, 29 Mai 2018 16:55)

    "An der Weltesche
    wob ich einst,
    da groß und stark
    dem Stamm entgrünte
    weihlicher Äste Wald.
    Im kühlen Schatten
    rauscht ein Quell:
    Weisheit raunend
    rann sein Gewell -
    da sang ich heil'gen Sinn."